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Antibiotikaverbrauch stieg im ersten Pandemiejahr massiv

Tabletten in Blisterpackungen
Übermässiger Antibiotikagebrauch lässt Bakterien zunehmend resistent gegen die Medikamente werden. (Foto: AdobeStock)

Antibiotika nützen nichts gegen Viren, auch nicht gegen das Coronavirus. Dennoch verschrieben Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz im ersten Jahr der Pandemie etwa doppelt so häufig antibakterielle Medikamente wie zuvor, berichten Forschende der Universität Basel. Eine riskante Praxis, warnt das Forschungsteam.

18. Dezember 2023 | Angelika Jacobs

Tabletten in Blisterpackungen
Übermässiger Antibiotikagebrauch lässt Bakterien zunehmend resistent gegen die Medikamente werden. (Foto: AdobeStock)

Es war eine Zeit grosser Unsicherheit: Als ab dem Frühjahr 2020 die erste Coronawelle über die Schweiz rollte, gab es weder diagnostische Tests noch eine Impfung noch wirksame Medikamente. In dieser Phase der Verunsicherung griffen in der Schweiz niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in der Grundversorgung offenbar vermehrt auf Antibiotika zurück, um Patientinnen und Patienten zu behandeln, obwohl diese Medikamente gegen Viren nichts ausrichten. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um Prof. Dr. Heiner Bucher vom Departement Klinische Forschung der Universität und des Universitätsspitals Basel.

Wie das Team im Fachjournal «Clinical Microbiology and Infection» berichtet, verdoppelte sich der Einsatz von Antibiotika von rund 8 auf 16 Antibiotikaverschreibungen pro 100 Konsultationen. Während der ersten Sars-CoV-2-Welle zu Jahresbeginn 2020 zeigte sich ein massiver Anstieg der Antibiotikaverschreibungen. Diese hielten sich ab Frühjahr 2020 für das ganze Jahr auf überdurchschnittlich hohem Niveau im Vergleich zu den Vorjahren 2017 bis 2019.

Die Forscherinnen und Forscher begannen ihre Studie bereits 2017 vor der Pandemie im Rahmen des Nationalfondsprogrammes NRP 72 «Antimikrobielle Resistenz». Grundlage waren vollständig anonymisierte individuelle Patientendaten von über zwei Millionen Krankenversicherten aller Altersgruppen sowie Abrechnungsdaten von Ärztinnen und Ärzten. Wie sich die Coronapandemie auf die Verschreibungspraxis auswirkte, untersuchten die Forschenden mit Fokus auf 2945 Allgemeinmedizinerinnen und Kinderärzte, die in den Vorjahren bereits eine mittlere bis hohe Rate an Antibiotikaverschreibungen aufwiesen.

Risiko für Resistenzen

Das Ergebnis: Die massiv erhöhte Verschreibungspraxis zeigte sich für alle Antibiotikaklassen, auch solche, welche primär nicht zur Behandlung von Atemwegsinfekten vorgesehen sind. «Das ist besonders besorgniserregend, da übermässiger und falscher Antibiotikagebrauch das Risiko erhöht, dass Bakterien gegen den verwendeten Wirkstoff resistent werden», sagt Heiner Bucher. Multiresistente Bakterien führen zu Infektionen, die sich kaum mehr behandeln lassen.

Originalpublikation

Soheila Aghlmandi, Florian S. Halbeisen, Pascal Godet, Andri Signorell, Simon Sigrist, Ramon Saccilotto, Andreas F. Widmer, Andreas Zeller, Julia Bielicki, Heiner C. Bucher
Impact of the COVID-19 pandemic on antibiotic prescribing in high-prescribing primary care physicians in Switzerland
Clinical Microbiology and Infection (2023), doi: 10.1016/j.cmi.2023.11.010


Weiterführende Informationen

Prof. Dr. med. Heiner C. Bucher Emeritus, Universität Basel/Universitätsspital Basel, Departement Klinische Forschung, E-Mail: heiner.bucher@usb.ch, Tel. +41 79 542 98 60

Dr. Soheila Aghlmandi, Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), E-Mail: Soheila.aghlmandi@ukbb.ch, Tel. +41 76 242 44 41

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