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Universität Basel

Serendipity oder vom glücklichen Zufall

Helma Wennemers

Helma Wennemers
Helma Wennemers

Penicillin, Teflonpfannen, Post-it, Röntgenstrahlen und Viagra – eine wahllose Aufzählung? Ganz und gar nicht. Es gäbe heute keines dieser Produkte, wäre nicht Serendipity bei ihrer Entdeckung im Spiel gewesen. Was Serendipity bedeutet? Der Begriff geht auf die persische Geschichte der «Drei Prinzen von Serendip» zurück, die sich auf den Weg zu einer Mission machten. Ihr Ziel erreichten sie zwar nie, sie machten aber auf dem Weg dorthin so viele Beobachtungen, aus denen sie weise Schlüsse zogen, dass sie zu Ruhm und Ehre kamen. Auf Penicillin, Teflon und Co. bezogen, heisst das: Diese Produkte waren nicht das eigentliche Ziel der Forschung, ihre Entdeckung geht auf ungeplante Zufälle im Labor zurück, als die Forscher nach etwas ganz anderem suchten. Zum Beispiel die Entdeckung des Teflons: Der Chemiker Roy Plunkett war eigentlich auf der Suche nach neuen Kühlmitteln, als er eine Gasflasche mit Tetrafluorethylen nicht wie gewöhnlich bei –78°C aufbewahrte, sondern über Tage hinweg bei Raumtemperatur stehen liess. Eines Morgens hatte sich ein Klumpen festen Materials gebildet, das sich in nichts auflöste und an dem auch nichts haften blieb – die Geburtsstunde des Teflons. Ebenso hatte der Zufall bei der Entdeckung vieler Medikamente seine Finger im Spiel. Fast schon legendär ist die Entdeckung des Antibiotikums Penicillin, als der Bakteriologe Alexander Fleming dabei war, sein Labor aufzuräumen. Sporen von Schimmelpilzen hatten sich zufällig auf Platten mit Bakterien niedergelassen und deren Wachstum um sich herum verhindert. Hätte der Forscher die Platten schlicht als «Dreck» abgetan und weggeworfen, gäbe es das wohl berühmteste Antibiotikum nicht. Und auch nach Viagra wurde nicht gezielt geforscht, sondern es ging aus einem Forschungsprogramm für Herz-Kreislauf-Mittel hervor. Letztes Beispiel ist die Entstehungsgeschichte der Post-it-Aufkleber, die aus keinem Büro mehr wegzudenken sind: Chemiker waren auf der Suche nach einem Superklebstoff und stellten stattdessen eine Masse her, die sich zwar auf allen Flächen auftragen, aber auch genauso leicht wieder ablösen liess. Fünf Jahre später ärgerte sich ein Kollege beim Singen im Kirchenchor darüber, dass ihm alle Lesezeichen aus dem Gesangsbuch fielen, und erinnerte sich an das Experiment. Und so könnten unzählige weitere Geschichten von vermeintlich missglückten Experimenten erzählt werden, die zu bahnbrechenden Erfolgen führten. Heisst das, dass Forschung vor allem vom Zufall abhängt? Nein, das wäre eine zu grobe Vereinfachung. Doch es gäbe weder Penicillin noch Teflon, hätten die Wissenschaftler nicht die Fähigkeit besessen, zu realisieren, was die unerwartete Beobachtung bedeutet. In den Worten des grossen Louis Pasteur ausgedrückt: «Der Zufall begünstigt nur den vorbereiteten Geist.» Eben das ist Serendipity! … und eine Moral von der Geschicht: Für gute Forschung muss neben den definierten Zielen genügend Freiraum vorhanden sein, um unerwarteten Resultaten nachgehen zu können.

Prof. Helma Wennemers (*1969) ist Extraordinaria für organische Chemie an der Universität Basel. Nach dem Studium in Frankfurt a. M. doktorierte sie
an der Columbia-Universität in New York und war danach Postdoktorandin an der Nagoya-Universität in Japan. 1999 kam sie als Stiftungs-Assistenzprofessorin
der Firma Bachem an die Universität Basel. In ihrer Forschung untersucht sie die Eigenschaften von Peptiden als Vermittlern von chemischen
Reaktionen sowie Bausteinen supramolekularer Aggregate und entwickelt synthetisches Kollagen.

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