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Die erste Schweizer Volkshochschule
Beatrice Montanari
Vor 90 Jahren gründeten Universitätsprofessoren die Volkshochschule Basel – die erste in der Schweiz.
Die Idee der University Extension wurde ursprünglich in England um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt, um den Universitätsbetrieb einer allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Bewegung griff gegen Ende des Jahrhunderts auch auf das kontinentale Europa über: Den Anfang machte 1895 Wien mit ersten universitären Vorträgen im Dienste des Volkes. Auf breiter Basis verwirklicht wurde die Idee in Mitteleuropa durch die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Volkshochschulen. Im Oktober 1919 entstand in Basel die erste Volkshochschule der Schweiz, gegründet von Professoren der Universität unter Mitwirkung des sozialdemokratischen Erziehungsdirektors Fritz Hauser. Ziel war es, die Öffentlichkeit an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Universität teilhaben zu lassen. Als Teil der Universität unterstand die Volkshochschule dem Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt. In der Kommission der Volkshochschulkurse waren neben den kantonalen Behörden auch die Fakultäten vertreten. Jahrzehntelang bildete die Volkshochschule denn auch eine eigene Abteilung der Universität.
Private Stiftung
Ende der 1960er-Jahre stellte sich im Hinblick auf ein neues Universitätsgesetz die Frage nach der Stellung und Aufgabe der Volkshochschule in der Universität. Dabei wurde ihr aber nicht, wie ursprünglich erwogen, der Status einer Abteilung oder Fakultät eingeräumt. Sie bildete ab 1987 juristisch die privatrechtliche Stiftung «Zentrum für Erwachsenenbildung der Universität Basel» (ZEB) und wurde aus der Universität herausgelöst; gleichzeitig übernahm der Kanton Basel-Landschaft eine tragende Rolle. Heute finanziert sich die «Volkshochschule beider Basel» zu rund zwei Dritteln durch die Kursgebühren, der Rest wird von beiden beteiligten Kantonen im Rahmen einer Leistungsvereinbarung sowie anderen Subventionen und Donationen gedeckt. Die Brückenfunktion zwischen Universität und Öffentlichkeit blieb. Seit den Anfängen der Volkshochschule war die personelle Bindung zur Universität immer wichtig: Die ReferentInnen und KursleiterInnen stammten zu einem grossen Teil aus den Reihen der Universitätsdozierenden, die ein interessiertes Publikum an den neusten Erkenntnissen ihrer Forschung teilhaben liessen – wie etwa der bekannte Biologieprofessor Adolf Portmann (1897–1982), der sich jahrzehntelang für die Volkshochschule einsetzte. Ihr Engagement im Dienst der Erwachsenenbildung bewirkte eine strukturelle und personelle Kontinuität.
Neues Bildungsverständnis
Die Volkshochschule Basel wuchs und erweiterte ihr Angebot laufend: Die akademischen Fächer, die lange fast ausschliesslich das Kursangebot ausmachten, blieben dabei bis heute bedeutend: Medizin, Psychiatrie, Psychologie, Geografie, Biologie und Geschichte. Was sich nach den Bildungsreformen der 1960er-Jahre abzeichnete, war weniger ein Bruch oder eine völlig neue Ausrichtung der Wissensvermittlung als vielmehr ihre Ergänzung. Neue Fächer und Fragestellungen, praxisorientierte Weiterbildungskurse sowie Gestaltungskurse erweiterten das universitätsnahe Angebot. Das gewandelte Bildungsverständnis umfasste nun akademische und nichtakademische, allgemeinbildende und beruflich- fachlich orientierte Kurse. Doch der Gedanke der University Extension blieb: Bis 2002 waren im Stiftungsrat alle Fakultäten vertreten, damit für ein ausgewogenes Programm gesorgt war; auch danach blieb die Universität präsent. Das Bestreben, möglichst viele Menschen aus allen Berufs- und Altersgruppen, sozialen Schichten und Bildungshintergründen anzusprechen, zeigt sich im breiten Angebot. Eine Umfrage von 2007 ergab: Während die Volkshochschule Basel als offenes Tor zur Universität vor allem ältere Menschen anzusprechen vermag, finden Jüngere und Berufstätige den Einstieg oft über Sprachkurse mit Zertifikatsabschluss oder Kurse mit Bezug zur Berufs- und Arbeitswelt, etwa Computerkurse. Viele sehen das Weiterbildungsprogramm auch als Ausgleich zum Beruf und besuchen deshalb Kurse in ganz anderen Bereichen. Das breite Kursangebot, das universitäre Umfeld und Niveau, die Qualifikationen und das Engagement der Kursleitenden, die qualitativ hoch stehenden, aktuellen und der Wissenschaftlichkeit verpflichteten Kursinhalte sowie der starke Bezug zum gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben der Stadt und Region – all das wurde von den Kursteilnehmenden als Merkmale angegeben, die in ihren Augen die Volkshochschule zu einer eigentlichen «Hochschule» machten.
30 Jahre Senioren-Universität Die Geburtsstunde der Senioren- Universitäten in Europa schlug im Jahr 1973, und Basel leistete mit der Gründung der ersten Senioren- Universität in der deutschen Schweiz im Oktober 1979 wiederum Pionierarbeit. Die Senioren-Universität durchlief hier eine ähnliche institutionell- organisatorische Entwicklung wie die Volkshochschule: Nachdem zunächst das Rektorat für die Organisation verantwortlich zeichnete, wurde die Senioren-Universität bald der Volkshochschule angegliedert. Diese Zusammenlegung ermöglichte die Koordination, Organisation und fachlich-wissenschaftliche Führung der universitären Erwachsenenbildung. Auch die Verwaltung der Senioren- Universität wurde der Stiftung ZEB übertragen. Ähnlich wie bei der Basler Volkshochschule war die enge Bindung an die Universität nicht nur institutionell, sondern auch personell und inhaltlich begründet. Viele Dozierende referierten und referieren sowohl an der Volkshochschule als auch an der Senioren-Universität. Beide Bildungsinstitutionen haben damit die Funktion des wissenschaftlichen Transfers von der Universität in die Öffentlichkeit.