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Universität Basel

Der Glaube ans Geld

Peter Seele

Wirtschaft und Religion stehen sich in Krisenzeiten oft sehr nahe – dargestellt am Thema Geld.

Falscher Dollarschein an der Basler Fasnacht 2009.
«Kai Gäld isch richtig»: Falscher Dollarschein an der Basler Fasnacht 2009. © United Basler Bebbi

Die Wirtschaftskrise tritt mit einer Vehemenz und Komplexität auf, zu der einzelwissenschaftliche Antworten mitunter unbefriedigend bleiben. Zudem werden in einer medial zugespitzten Krisenrhetorik vermehrt religiöse Begriffe und Zuschreibungen verwendet, die der Wirtschaft eine geheimnisvolle, schicksalhafte Qualität geben, die in dieser Zuspitzung weder gerechtfertigt noch nützlich sein muss. Wie schwerwiegend Wirtschaft und Religion in der Wirtschaftskrise dennoch ineinandergreifen, lässt sich am Thema Geld ausgezeichnet zeigen – setzt das Vertrauen in das Leitmedium Geld zu manchen Zeiten doch einen Glauben voraus, der einer metaphysischen Begründung einer Religion an Irrationalität in nichts nachsteht. Umgekehrt wird der Glaube an das Geld zu einem konkurrierenden Substitut von Religion, wie der Kult um das Goldene Kalb oder die Verehrung des Mammons historisch belegen. Die grandiosen Vorzüge einer Welt mit Geld gegenüber einer Welt ohne Geld lassen sich in der Betrachtung seiner drei Funktionen erkennen: Wertaufbewahrung, Bewertung und Tauschmittel. Damit Geld funktioniert, sind allerdings einige Voraussetzungen zu erfüllen, die an sein historisches Erbe, den Goldstandard, erinnern. Nur dass dem tauschökonomischen Goldgeld die Eigenschaften Homogenität, Teilbarkeit, Haltbarkeit und Knappheit innewohnen – im Vergleich zu dem auf Vertrauen und Versprechen basierenden heutigen Giral- oder Buchgeld (abfällig auch: Computergeld). Dieses besteht im Gegensatz zum Warengeld (Muscheln, Metalle), zur vollwertigen Münze oder zum Notengeld allein aus den Forderungen an Geschäftsbanken und ist in den modernen Volkswirtschaften das wichtigste Zahlungsmittel.

«In God we trust»
Die fehlende Äquivalenz von Funktion und Materialeigenschaft im heutigen Geld wird durch Aussagen auf den Noten zu überbrücken versucht. Der US-Dollar etwa weist mit den berühmten Worten In God we trust auf den Vertrauensaspekt hin, der hier eine eindeutig religiöse Rückversicherung durch die irdisch und institutionell nicht hinterfragbare Autorität der (gemeinsamen) Religion erfährt. Eine irdisch-institutionelle Variante lesen wir auf der Note des Britischen Pfunds: I promise to pay the Bearer on Demand the sum of One Pound, unterschrieben vom Chief Cashier der Bank of England. Diese Verheissung lädt zum Nachdenken ein: Wenn die Banknote dem Charakter nach ein Schuldschein über ein Pfund ist, was bekäme ich denn im Gegenzug von der Bank of England, wenn ich die Note vorlegte? Ein Pfund? Ist das eine Währungs- oder eine Gewichtseinheit? Die Schweizerische Nationalbank hingegen gibt als Autorität auf den Noten des Frankens an: «Banknoten sind strafrechtlich geschützt», und auf dem Euro stehen nur noch die vier Zeichen «© EZB» – Copyright: Europäische Zentralbank. Der Glaube an das Geld bezieht sich also auf die Institutionen und ihr Versprechen in seine Funktionalität. Die «Wirtschaftswoche » hat errechnet, dass sich bei einer vollen Deckung aller Währungen durch Gold der Preis für die Feinunze von derzeit rund 940 auf etwa 37’000 Dollar vervierzigfachen würde. Der Goldstandard hat sich allerdings in einer global verflochtenen und arbeitsteilig organisierten Wirtschaft nicht bewährt, und spätestens mit der Aufkündigung fester Wechselkurse 1973 durch die Auflösung des Bretton-Woods-Abkommens hat sich das Geldsystem weiterentwickelt. Beruht das wirtschaftliche Handeln auf Regeln, Institutionen und Gesetzen, so beruhen diese wiederum nach einigen Autoren auf Vertrauen und Wahrhaftigkeit. Werden diese untergraben, wird das «Spiel» derart unzuverlässig, dass es niemand weiterspielen möchte.

Funktion von Vertrauen
Die ökonomische Funktion von Vertrauen in Geld ist die Senkung der Transaktionskosten: Wem ich vertraue, den muss ich nicht so streng kontrollieren wie einen Fremden. Gemeinsame Werte, wie sie etwa durch die Zugehörigkeit zu einer Region, einer Nachbarschaft oder durch gemeinsame erfreuliche Erfahrungen entstehen, senken die Transaktionskosten. Einigen Autoren zufolge hängt sogar die gesamte Wirtschaftsleistung von den Transaktionskosten ab, und diese reflektieren das Vertrauensniveau in einer Volkswirtschaft. Eine starke, vertrauensbasierte Kultur reduziert somit die Transaktionskosten und erhöht die Performance. Wie ist diese Vertrauensfunktion auf die aktuelle, krisenhafte Situation der Wirtschaft bezogen zu verstehen? Bedenkt man etwa, dass es unter US-Firmen – um die knappen Bargeldbestände zu schonen – üblich ist, Schuldzinsen mit zusätzlichem Fremdkapital zu bezahlen, so muss das Vertrauen in die Zukunft über das Geldsystem hinaus schon sehr stabil sein. Sogenannte PIKs (Payment in Kind) sind Papiere, die Verbindlichkeiten mit neuen Verbindlichkeiten begleichen und dem Gläubiger ein deutlich erhöhtes Risiko aufbürden. Laut Vertragsfreiheit wäre es dem Gläubiger möglich gewesen, sich gegen die PIK-Klausel zu wehren, doch haben dies die wenigsten Unternehmen getan, sodass die Risikohaftigkeit des Geldsystems weiter steigt und der Glaube an das Geld stärker sein muss, um es zu nutzen. Denn PIKs werden ebenso in Währungen gerechnet wie Noten. Schon 1923 spricht Erich Eppich in seinem Buch «Geld» von der «Massensuggestion des Geldes». Dieses ist demnach keine allgegenwärtige, dämonische, launenhafte Macht, sondern schlicht das wesen- und willenlose Werkzeug aller menschlichen Begehren. Damit entzieht es sich der Beobachtbarkeit und, noch gravierender, menschlicher Einschätzbarkeit. Denn Geld wird letztlich durch nichts anderes gedeckt als durch das Vertrauen jener, die es nutzen. Sollte dieses enttäuscht werden, was historisch betrachtet gelegentlich vorkommt und als Währungskrise bezeichnet wird, stärkt dies die Position prämonetärer Tauschgeldökonomien, wie sie etwa Rohstoffe und Metalle darstellen. So gesehen, steigt nicht der Goldpreis bei vergleichbarer Goldproduktion, sondern die Macht des Gelds sinkt bei steigenden Goldpreisen. An der Basler Fasnacht 2009 wurden denn auch 000-Dollarscheine mit der Überschrift «Kai Gäld isch richtig» (siehe Bild) aus den Wagenfenstern geworfen, die in karikierender Übertreibung als Hinweis auf das Risiko der Geldentwertung bei enttäuschtem Vertrauen verstanden werden können. Wenn das Geld aber nicht mehr gut funktioniert, etwa in Währungskrisen, wenn es also anfällig ist und die Reputation des Ausstellers sinkt, sinkt auch die Anzahl seiner Nutzer. Diese weichen auf andere Währungssysteme oder im Fall der Wertaufbewahrung auf andere Investitionsmöglichkeiten oder Werte aus, um die Geldfunktionen zu realisieren. Das Versprechen – besonders beim Giral- und Buchgeld – bedarf der glaubwürdigen Deckung und Erfüllung: Geld muss glaubhaft sein.

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