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East meets West: Basler Archäologen untersuchen in Kalabrien die Ankunft der ersten Griechen
Studierende und Mitarbeitende der Klassischen Archäologie haben im süditalienischen Francavilla Marittima Gräber der einheimischen Elite aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. untersucht. Von den Grabungen versprechen sie sich neue Einsichten in die kulturelle Begegnung zwischen der einheimischen Oberschicht und den ersten Kolonisten aus Griechenland und dem Vorderen Orient.
26. Juli 2013
Die Angehörigen der einheimischen Oberschicht, die in den Gräbern von Francavilla Marittima bestattet sind, standen in engem Kontakt mit den ersten griechischen und orientalischen Siedlern, die sich im 8. Jahrhundert v. Chr. in Italien niederliessen. Immer wieder finden sich unter den Grabbeigaben östliche Luxusgüter, aber auch Gegenstände, die von der selbständigen Umbildung und Weiterentwicklung fremder Güter und Techniken zeugen und damit den vielschichtigen Vorgang der Kulturbegegnung beleuchten. Das Basler Forschungsprojekt will einerseits einen Beitrag zum besseren Verständnis des Bestattungsplatzes an sich und andererseits des frühen Kulturkontaktes liefern.
Monumentales Grab mit Bernsteinperlen
Im Mittelpunkt der diesjährigen Grabung standen drei Gräber: Das Grab eines Neugeborenen, das in einem grossen Vorratsgefäss bestattet wurde, sowie die Grabstätten eines 5-jährigen Kindes und einer Frau. Letzteres ist eines der grössten Gräber, die bislang in der Nekropole gefunden wurden. Mit einer Länge von ca. 4,5 und einer Breite von rund drei Metern besitzt es ein monumentales Format.
Unter den Beigaben fanden sich unter anderem eine aussergewöhnliche Zierscheibe aus Bronze und Hunderte von Bernsteinperlen, die gleichmässig im Grab verteilten waren. Sie stellen die Archäologen vor ein Rätsel: Gehörten sie zu einem spezifischen Bestandteil der Tracht der toten Frau oder zierten sie ein Tuch, in das die Verstorbene eingehüllt war?
Griechen und Einheimische: Konflikt oder Koexistenz?
Die Debatte um die griechische Kolonisation Süditaliens ist geprägt von der Frage nach den Formen der griechischen Expansion und ihren Folgen für die einheimischen Kulturen: kriegerischer Konflikt oder friedliche Koexistenz? Als einer der wenigen einheimischen Siedlungsplätze Grossgriechenlands scheint Francavilla Marittima die Gründung der mächtigen griechischen Kolonie Sybaris in seiner unmittelbaren Nachbarschaft unbeschadet überstanden zu haben. Siedlung und Nekropole laufen weiter. Die von den Basler Archäologen erforschte Gräbergruppe, die im Zentrum der Nekropole liegt, endet jedoch abrupt um 730/20 v. Chr., d.h. genau zu dem Zeitpunkt, als – der literarischen Tradition zufolge – Sybaris gegründet wurde. Die Annahme drängt sich auf, dass der Prozess der Koloniegründung auch in Francavilla einschneidende Folgen für die einheimische Elite hatte. Sie zu erhellen ist das Ziel des Basler Forschungsprojektes.
Archäologische Praxis für Studierende
Die Lehr- und Forschungsgrabung in Francavilla Marittima fand dieses Jahr bereits zum fünften Mal statt. An der fünfwöchigen Kampagne, die in enger Kooperation mit der archäologischen Behörde Kalabriens durchgeführt wurde, nahmen acht Studierende der Klassischen Archäologie, eine Anthropologin sowie eine wissenschaftliche Zeichnerin teil. Die Feldarbeiten wurden von Prof. Martin A. Guggisberg und Camilla Colombi vom Departement Altertumswissenschaften sowie von Norbert Spichtig von der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt in ausserberuflicher Tätigkeit geleitet.
Die Untersuchungen in Francavilla Marittima sind als Lehr- und Forschungsgrabung konzipiert und bieten den Basler Studierenden Gelegenheit zum Erwerb von archäologischer Praxis. Gemeinsame Besuche von Museen und archäologischen Stätten der Region vermitteln darüber hinaus Einblicke in die antike Kulturlandschaft Süditaliens.