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Das Atom ohne Eigenschaften

Die Welt der kleinsten Teilchen folgt den Regeln der Quantenmechanik. Sie lassen es zu, dass die Eigenschaften eines Teilchens völlig unbestimmt und dennoch stark mit denen anderer Teilchen verknüpft sind. Ein Team von theoretischen und experimentellen Physikern der Universität Basel hat diese sogenannten Bell-Korrelationen erstmals zwischen mehreren Hundert Atomen beobachtet. Das berichten die Forscher in der Fachzeitschrift «Science».

21. April 2016

Gewöhnliche Gegenstände besitzen ihre Eigenschaften unabhängig voneinander und unabhängig davon, ob wir sie beobachten oder nicht. Einsteins berühmte Frage, ob der Mond auch da sei, wenn niemand hinschaue, beantworten wir mit einem sicheren Ja. In der Welt der kleinsten Teilchen gelten diese scheinbaren Gewissheiten nicht. Der Aufenthaltsort, die Geschwindigkeit oder die Orientierung des magnetischen Moments eines Atoms kann völlig unbestimmt sein und dennoch stark von Messungen an anderen, auch weit entfernten Atomen abhängen.

Experimenteller Test von Bell-Korrelationen

Unter der (falschen) Annahme, dass die Atome ihre Eigenschaften jeweils unabhängig von der Messung und unabhängig voneinander besitzen, lässt sich eine sogenannte Bell-Ungleichung aufstellen. Wird sie durch die Resultate eines Experiments verletzt, folgt daraus, dass die Eigenschaften der Atome voneinander abhängen müssen. Man spricht dann von Bell-Korrelationen zwischen den Atomen. Diese haben auch zur Folge, dass jedes einzelne Atom seine Eigenschaften erst im Moment der Messung erhält – vor der Messung sind diese Eigenschaften nicht nur unbekannt, sondern sie existieren gar nicht.

Forscher um die Professoren Nicolas Sangouard und Philipp Treutlein von der Universität Basel haben zusammen mit Kollegen aus Singapur solche Bell-Korrelationen nun erstmals in relativ grossen Systemen beobachtet, nämlich zwischen 480 Atomen eines Bose-Einstein-Kondensats. Frühere Experimente konnten Bell-Korrelationen mit höchstens 4 Lichtteilchen oder 14 Atomen nachweisen. Ihr Resultat bedeutet, dass die seltsamen Quanteneffekte auch in grossen Systemen eine Rolle spielen können.

Grosse Anzahl miteinander wechselwirkender Teilchen

Um Bell-Korrelationen in einem Vielteilchensystem nachzuweisen, mussten die Forscher zunächst eine neue Methode entwickeln, die ohne eine Messung jedes einzelnen Teilchens auskommt, was jenseits der heutigen Möglichkeiten läge. Dies gelang ihnen mithilfe einer erst seit Kurzem bekannten Bell-Ungleichung. Ihre Methode konnten die Basler Forscher direkt im Labor an kleinen Wolken aus ultrakalten Atomen ausprobieren, die durch Laserlicht auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Darin stossen die Atome ständig zusammen, sodass sich ihre magnetischen Momente langsam miteinander verschränken. Wenn diese Verschränkung ein gewisses Mass erreicht hat, lassen sich Bell-Korrelationen nachweisen. Autor Roman Schmied erklärt: «Man würde erwarten, dass zufällige Stösse bloss Unordnung verursachen. Doch dadurch werden die quantenmechanischen Eigenschaften der Atome so stark miteinander verknüpft, dass sie die klassische Statistik verletzen.»

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