00:00:00:00 - 00:00:33:19 Sandra Hotz Familien sind so vielfältig geworden und es sind viele Familien, die eben nicht im Recht abgebildet werden. Und das ist eigentlich Aufgabe des Rechts, die Bevölkerung abzubilden und alle zu schützen. Also Gleichstellung heisst ja nicht, dass wir alles 100 % wirklich gleich behandeln, sondern materielle Gleichstellung heisst, dass wir auch Ungleiches Ungleich behandeln. Männer sollten so leben dürfen, wie es ihnen entspricht. 00:00:33:19 - 00:00:52:13 Sandra Hotz Sie sollten auch mehr Familienzeit haben dürfen, wenn sie das möchten. Und sie sollten nicht in dieser alleinigen Ernährerrolle und in dieser Verantwortung stecken bleiben müssen. 00:00:52:15 - 00:01:15:20 Catherine Weyer Hallo und herzlich Willkommen bei Unisonar, dem Wissenspodcast der Universität Basel. In dieser Staffel schauen wir uns mit Expert*innen Forschungsfelder an, die sich mit dem Thema Gender befassen. «Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich», heisst es in der Schweizer Bundesverfassung. Das Gesetz sorge dafür, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und dass sie für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten. 00:01:15:21 - 00:01:36:18 Catherine Weyer Aber ist das tatsächlich so? Oder wird ein Geschlecht trotz aller Gleichberechtigungsversuche bevorzugt? Und was ist eigentlich mit dem dritten Geschlecht im Schweizer Gesetz? Darüber spreche ich mit Sandra Hotz. Sie ist Professorin für Zivilrecht und Gesundheitsrecht an der Universität Neuchâtel und Lehrbeauftragte an der Universität Basel. Sandra Hotz, herzlich willkommen! 00:01:36:19 - 00:01:39:06 Sandra Hotz Vielen Dank für diese Einladung. 00:01:39:08 - 00:01:52:08 Catherine Weyer Mein Name ist Catherine Weyer. Bei Unisonar tauchen wir mit Expert*innen der Universität Basel auf den Grund ihrer wissenschaftlichen Forschung. Frau Hotz, löst die Schweiz ein, was sie in Ihrer Bundesverfassung verspricht? 00:01:52:10 - 00:02:23:21 Sandra Hotz Also zunächst einmal ist Artikel 8 der Bundesverfassung Fassung ein bedeutender Fortschritt. Und ich bin sehr dankbar um diesen Artikel, denn wir können uns auf etwas berufen. Nicht nur wir als Bürgerinnen und Bürger. In der kommunalen und kantonalen Ebene und auf der nationalen Ebene, sondern eben auch alle Behörden. Und deswegen ist Artikel 8 enorm wichtig. Und dass noch nicht ganz alles umgesetzt ist, das ist ebenso klar. 00:02:23:21 - 00:02:27:08 Sandra Hotz Und deswegen sitzen wir heute, denke ich, auch hier. 00:02:27:10 - 00:02:37:19 Catherine Weyer Man kennt ja so den Klassiker, wo die Geschlechter nicht gleichberechtigt sind. Das ist beim Militärdienst, der nur für Männer gilt und nicht für Frauen. Wo gibt es denn sonst noch Ungleichheiten? 00:02:37:21 - 00:03:22:11 Sandra Hotz Also das ist eine spezifische Rechtsungleichheit. Das heisst, da unterscheidet die Bundesverfassung nach Geschlecht. Und es gibt zum Beispiel auch noch Ungleichbehandlungen, die weniger explizit sind, wo wir uns nicht aufs Geschlecht berufen. Aber zum Beispiel Mutterschutz ist Mutterschutz, der ist auch geschlechtsspezifisch. Und den Elternurlaub haben wir auch eben nicht, sondern wir haben einen Mutterschaftsurlaub und wir haben Vaterschaftsurlaub. Das heisst, wir haben doch spezifische Geschlechtsbestimmung, wir haben eine Witwenrente, aber das wurde ja jetzt auch von Europäischer Gerichtshofseite für verfassungswidrig erklärt. 00:03:22:16 - 00:03:24:17 Sandra Hotz Da wird sich was ändern. 00:03:24:19 - 00:03:30:08 Catherine Weyer Also das war der Punkt, dass Frauen länger eine Witwenrente beziehen können wie Männer eine Witwerrente. 00:03:30:11 - 00:03:31:21 Sandra Hotz Genau. 00:03:31:23 - 00:03:37:21 Catherine Weyer Wo stören Sie sich denn besonders an der Ungleichbehandlung im Gesetz? 00:03:37:23 - 00:04:12:15 Sandra Hotz Ich denke, ich störe mich vor allem dort, wo wir eben diese materielle Gleichheit noch nicht umgesetzt haben. Das ist namentlich im Familienrecht, das ist aber auch im Arbeitsrecht, das ist in ganz verschiedenen Feldern so, es ist heute etwas weniger offensichtlich, weil wir eben diese rechtliche Gleichheit haben und Gleichstellungsauftrag eben haben. Es ist weniger, weniger einfach, es ist leiser geworden und es muss mal genauer hinschauen, wo diese Ungleichheiten noch bestehen. 00:04:12:17 - 00:04:35:18 Sandra Hotz Aber ein grosses Thema ist sicher die Care-Arbeit, die nach wie vor von Frauen hauptsächlich ausgeübt wird und die unentgeltlich ist. Wir haben eine Altersarmut, die vornehmlich Frauen betrifft und ein ganz schlimmes Thema ist die Gewalt. Die Gewalt an Frauen, die ist auch sehr genderspezifisch. 00:04:35:20 - 00:04:39:21 Catherine Weyer Sie haben von der materiellen Gleichstellung gesprochen. Was ist das genau? 00:04:39:23 - 00:04:59:04 Sandra Hotz Materielle Gleichstellung als im Gegensatz zu formeller Gleichstellung. Formelle Gleichstellung heisst wir sind gesetzlich gleichgestellt vor dem Gesetz. Materielle Gleichstellung heisst, dass wir dann auch in der Lebensrealität auch wirklich tatsächlich gleichgestellt sind. 00:04:59:06 - 00:05:04:20 Catherine Weyer Und wie sehr ist das Aufgabe des Rechts hier für Gleichheit zu sorgen? 00:05:04:21 - 00:05:34:09 Sandra Hotz Also der Verfassungsauftrag ist sehr klar. Es ist ein Gleichstellungsauftrag, das heisst, das Ziel muss wirklich die Gleichbehandlung der Geschlechter sein. Es ist nicht nur die Rechtsgleichheit vor dem Gesetz und im Zusammenhang mit den Behörden, sondern wir wollen auch, dass diese umgesetzt wird. Wir haben auch internationale Abkommen unterzeichnet, zum Beispiel das UN-Abkommen gegen alle Diskriminierung von Frauen. 00:05:34:09 - 00:05:50:12 Sandra Hotz Das ist ein asymmetrischer Staatsvertrag, das heisst, der schützt nur Frauen und mit diesem und der Ratifizierung dieses Vertrags hat sich die Schweiz verpflichtet, Gleichstellung voranzutreiben und diese umzusetzen. 00:05:50:14 - 00:06:12:14 Catherine Weyer Es gibt ja immer wieder Diskussionen um die Gleich- oder Ungleichbehandlung. Zuletzt war das bei der AHV-Revision der Fall, wo ja dann auch immer mitspielt. Ja, aber eben, Männer müssen in gewissen Punkten auch mehr leisten. Wie schwierig ist da diese Diskussion, gerade wenn man noch den Militärdienst reinnimmt, dass man dann doch sachlich bleiben kann und wirklich für eine Gleichstellung sorgen kann. 00:06:12:16 - 00:06:58:12 Sandra Hotz Also Gleichstellung heisst ja nicht, dass wir alles 100 % wirklich gleich behandeln, sondern materielle Gleichstellung heisst, dass wir auch Ungleiches ungleich behandeln. Das heisst, wenn Frauen Geburtsarbeit leisten, Care-Arbeit leisten und diese massgeblich von Frauen getragen wird, dann ist das meines Erachtens ein legitimes Argument, dass die Militärpflicht noch nicht geöffnet wurde. Aber formell haben Sie natürlich recht. Es ist schwierig, dort zu argumentieren und zu sage:n Nein, hier wollen wir eine Ungleichbehandlung, weil eben das Ziel noch nicht erfüllt ist. 00:06:58:14 - 00:07:18:13 Catherine Weyer Ich stelle es mir auch noch schwierig vor, wenn man jetzt sagt, Care-Arbeit muss im Gesetz irgendwie aufgefangen werden. Damit zementiert man ja auch ein bisschen das traditionelle Rollenbild. Und was passiert jetzt mit einem Mann, der die meiste Care-Arbeit zu Hause leistet und dann aber ins Militär muss? Kann man das irgendwie mit diesen Einzelfällen und dem grossen Ganzen auffangen? 00:07:18:13 - 00:07:20:05 Catherine Weyer Überhaupt? 00:07:20:06 - 00:07:49:14 Sandra Hotz Also ich denke, wir müssen das grosse Ganze im Blick haben. Wir leisten alle soziale Dienste, ob der Nation in verschiedener Weise und ich denke, da werden wir irgendwann in der Zukunft auch eine ausgewogene Lösung finden. Also können wir nicht im Einzelfall so abrechnen. Und selbstverständlich, wenn wir jetzt Care-Arbeit regeln würden. Es gibt eine Bestimmung im Zivilgesetzbuch, die regelt den Betreuungsunterhalt für das Kind. 00:07:49:16 - 00:08:13:16 Sandra Hotz Das ist eigentlich nichts anderes als Care-Arbeit. Aber da gibt es schon Ansätze von Regelung, und die ist selbstverständlich geschlechterunspezifisch geregelt. Also wer das Kind betreut, betreut das Kind und der andere Mensch soll einen Beitrag dazu leisten. Und das kann einen finanziellen Beitrag sein. Aber es kann in natura geleistet werden. 00:08:13:18 - 00:08:20:19 Catherine Weyer Und wie kommt es dann, dass trotzdem Altersarmut besonders Frauen betrifft? Wo ist da die Crux dahinter? 00:08:20:21 - 00:08:53:02 Sandra Hotz Ja, die hat schon damit mit dieser unbezahlten Care-Arbeit zu tun und mit diesem Teilzeit-Arbeitsmodell. Und wenn wir immer noch an diesem Ideal von von einer Familie, die auf Ehe begründet funktionieren, das tun wir mehrheitlich, dann ist eben dieser Anreiz in dieser traditionellen Rollenverteilung verhaftet zu bleiben, ist eben relativ gross. Und das bedeutet Teilzeitarbeit. Wir haben es auch, Sie haben den Lohn glaube schon angesprochen. 00:08:53:04 - 00:09:10:14 Sandra Hotz Also Lohnungleichheit im Schnitt ist klar genderspezifisch. Aber es hat eben auch viel damit zu tun, dass viel mehr Frauen in ja gering bezahlten Arbeitsfeldern tätig sind und Teilzeit arbeiten. 00:09:10:16 - 00:09:24:10 Catherine Weyer Hat das auch damit zu tun, dass viele Frauen nicht die Möglichkeit von der Ausbildung haben, weil sie in dieser Zeit Kinder bekommen oder weil sie dann eben in Teilzeit weiterarbeiten, dass ja auch nicht die Berufserfahrung haben, die Männer im gleichen Alter ansammeln können. 00:09:24:12 - 00:09:45:20 Sandra Hotz Natürlich, das ist ein klassisches Beispiel von indirekter Diskriminierung, wenn wir nicht promoviert werden in unserer Arbeit, weil wir eben weniger Erfahrung haben, weniger Zeit im Erwerbsleben verbracht haben und so auch nicht in besser bezahlte Stellung gelangen. 00:09:45:22 - 00:09:57:08 Catherine Weyer Sie haben die Ehe erwähnt. Dort ist ja auch geregelt, dass ein Ehepaar zusammen eineinhalb AHV-Renten bekommt. Ist das noch zeitgemäss? 00:09:57:10 - 00:10:12:08 Sandra Hotz Es gibt ja diese ganze Tendenz, jetzt eine Individualbesteuerung einzuführen. Wir haben das Problem auch auf steuerlicher Seite, dass beide eine volle AHV Rente bekommen. Das wäre eigentlich sinnvoller. 00:10:12:10 - 00:10:19:08 Catherine Weyer Was würde das bedeuten für Leute, die nicht verheiratet sind, aber im Konkubinat leben? 00:10:19:10 - 00:10:57:06 Sandra Hotz Also im Konkubinat. Das heisst, wenn man hier unverheiratet zusammenleben, dann haben wir diesen ganzen öffentlichen Rechtsschutz nicht. Das es betrifft weder den Namen, noch betrifft es das Staatsrecht, noch betrifft es die ganzen Sozialversicherungen. Es trifft auch nicht das Erbrecht. Also letzten Endes sind Paare, die im Konkubinat leben und keine ausgewogene Rollenteilung haben und kein ausgewogenes Erwerbseinkommen haben, benachteiligt oder sollten vielleicht doch heiraten. 00:10:57:08 - 00:11:05:05 Catherine Weyer Aber ist das noch zeitgemäss, dass man den Menschen sagen muss Wenn ihr euch wirklich absichern wollt, dann heiratet? 00:11:05:05 - 00:11:27:20 Sandra Hotz Zeitgemäss nicht. Aber wenn ich jetzt eine gute Juristin bin und jemanden vor mir habe, den ich beraten soll, seien das gleichgeschlechtliche Paare und gleichgeschlechtliche Paare. Dann muss sich jemand den Finger auf diesen wunden Punkt halten und sagen: Ja, passt auf. Oder Sobald die Rollenverteilung nicht egalitär ist, wird schwierig. 00:11:27:22 - 00:11:41:08 Catherine Weyer Andere Länder haben da Lösungen gefunden. In Frankreich gibt es beispielsweise einen PACS, den Leute unterschreiben können, die nicht verheiratet sind. Wieso tut sich die Schweiz so schwer mit Alternativen zur Ehe? 00:11:41:10 - 00:12:15:09 Sandra Hotz Wieso tun wir uns so schwer? Wieso geht es bei uns so langsam? Das ist schwierig zu sagen. Wir können vielleicht eine Analogie machen zum Frauenstimmrecht, das 1971 eingeführt worden ist. Auch relativ spät. Und ich denke, einer der Gründe war schon, dass der Föderalismus hemmend ist für Fortschritt. Und jeder schiebt dem anderen die Verantwortung zu. Was auch nicht gerade förderlich ist, ist, dass wir kein Verfassungsgericht haben. 00:12:15:11 - 00:12:42:02 Sandra Hotz Weil wenn Sie Länder anschauen wie Deutschland oder Österreich, da fällt dann am Verfassungsgericht plötzlich ein Mann einen Entscheid und sagt das ist jetzt verfassungsrechtlich, das geht so nicht mehr weiter, dann wird es ab dem nächsten Tag ist es Recht. Oder das Verfassungsgericht kann sagen Du Gesetzgeber, bitte mach mir jetzt ein neues Gesetz. Das zeitgemässe ist innert eines Jahres und in der Schweiz geht es einfach ein bisschen langsamer. 00:12:42:04 - 00:12:59:22 Sandra Hotz Es ist nicht so, dass wir noch gar nicht dort wären. Es gibt einen Bericht des Bundesrats von 2022, wo der PACS auch Thema ist. Und eine Lösung wird uns versprochen. Wann die dann genau kommt, weiss ich nicht. 00:13:00:00 - 00:13:10:03 Catherine Weyer Es ist jetzt sehr nett von Ihnen formuliert, wenn Sie sagen, wir sind ein bisschen langsamer, wenn wir sagen Frauenstimmrecht 1971. 00:13:10:05 - 00:13:22:09 Catherine Weyer Weil da sind wir doch oft noch ein Beispiel dafür oder so, das ist der Fun Fact, wie spät die Schweiz dran war. Was hat sich denn verändert nach 1971? 00:13:22:11 - 00:13:33:18 Sandra Hotz Also was immer sich verändert hat, dass wir eben dieses recht haben, dass Frauen wählbar sind als Politikerinnen und selber wählen können. Und das ist schon mal toll. 00:13:33:20 - 00:13:46:01 Catherine Weyer Welchen Einfluss hat es auf die Politik? Ich nehme an, das hat, da hat es ziemliche Veränderungen gegeben. Wenn man jetzt heute schaut, dass Frauen doch Wahlen beeinflussen können mit ihren Stimmen, dass Frauen anders wählen wie Männer. 00:13:46:03 - 00:14:09:22 Sandra Hotz Natürlich hat das einen Einfluss. Wir haben, wenn sie es zahlenmässig anschauen, haben wir im Nationalrat und Ständerat etwa eine Quote von 30 % Frauen. Das heisst, es ist da auch noch Luft nach oben. Wir sind noch nicht ausgewogen. Auch das hat sicher viel mehr Frauen und Frauenthemen werden öfters vorgebracht. 00:14:10:00 - 00:14:16:20 Catherine Weyer Bald gibt es im Bundesrat ja nur noch zwei Bundesrätinnen. Also hier dreht sich das Rad schon ein bisschen zurück. 00:14:16:22 - 00:14:42:09 Sandra Hotz Genau. Es wird was. Es ist nichts in Stein gemeisselt. Wir müssen eben damit rechnen, dass wir wieder Schritte zurückgehen und ja, leider scheint es heute weltweit ein bisschen so zu sein und die Schweiz wird da keine Ausnahme sein, auch wenn es hier und das ist dann die positive Seite dieser Langsamkeit, äh, ja ein bisschen langsamer zu und her geht. 00:14:42:11 - 00:14:59:09 Sandra Hotz Und ich hoffe, dass all diese Revisionen, die im Familienrecht, Abstammungsrecht usw nicht schubladisiert werden, sondern trotzdem jetzt noch in diesem Tempo, das unseres ist, in der Schweiz, weiterverfolgt werden. 00:14:59:11 - 00:15:09:12 Catherine Weyer Was steht denn als nächstes an? Was sagen die? Wo sind die grossen Schritte, die die Schweiz in den nächsten Jahren gehen könnte? Welche Wege haben wir da schon vorgezeichnet? 00:15:09:14 - 00:15:56:21 Sandra Hotz Also ich denke, Sie haben es angeschnitten. Es ist sicher der ganze sozialversicherungsrechtliche Bereich mit erste Säule, zweiter Säule, wo etwas getan werden muss. Und es ist die eine Individual-Besteuerung, die auch ja getätigt werden sollte und im Familienrecht, um wieder auf das zurückzukommen ja, werden wir sicher gewisse Änderungen jetzt einführen, aber es sind so es ist nicht der grosse Wurf oder es sind so klein geschnürte Päckchen wie jetzt, zum Beispiel, dass diese Eizellenspende legalisiert werden soll oder dass jetzt auch unverheiratete Paare zur Fortpflanzzungsmedizin zugelassen werden sollen. 00:15:56:21 - 00:16:26:04 Sandra Hotz Oder das wir dann an einem anderen Ort eben versuchen, vielleicht einen PACS einzuführen. Und dass wir noch an anderen Orten, zum Beispiel im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, jetzt die Rolle der Familienmitglieder stärken wollen und meine meine Bedürfnisse immer ein bisschen Ja, wer behält hier den Überblick und wer schafft dafür, dass das dann irgendwie alles zusammengehalten wird? 00:16:26:06 - 00:16:29:09 Catherine Weyer Also sprechen Sie da die Regenbogenfamilien an? 00:16:29:11 - 00:16:45:17 Sandra Hotz Alle, die betroffen sind von Familie und Familien, sind so vielfältig geworden und es sind viele Familien, die eben nicht im Recht abgebildet werden. Und das ist eigentlich Aufgabe des Rechts, die Bevölkerung abzubilden und alle zu schützen. 00:16:45:19 - 00:16:56:10 Catherine Weyer Das war ja eigentlich ein riesiger Schritt für die Schweiz, als die Ehe für alle angenommen wurde. Hat Sie das überrascht, dass das Anliegen durchgekommen ist? 00:16:56:12 - 00:17:38:05 Sandra Hotz Ähm, nicht wirklich, weil wir sind ja in der Schweiz nie alleine ist. Wir sind in der Mitte von Europa und alle Länder um uns herum oder viele Länder um uns herum haben diese Ehe geöffnet. Also insofern ist es zu erwarten, dass dann die Schweiz irgendwann auch mitzieht. Was mich vielleicht überrascht hat, ist dieses Kriterium dieser Unfruchtbarkeit. Das wird die als soziale Unfruchtbarkeit anschauen können, also hier in ein weiteres Verständnis kein biologisches Verständnis mehr zwingend ist. 00:17:38:07 - 00:17:41:14 Catherine Weyer Können Sie das vielleicht ausführen? 00:17:41:16 - 00:18:10:11 Sandra Hotz Lange hat es geheissen, Unfruchtbarkeit regelt sich nach WHO-Regeln. Dass wir während eines Jahres regelmässig Geschlechtsverkehr gehabt haben müssen und es dann zu keiner Schwangerschaft geworden ist. Und jetzt, mit der Öffnung der Ehe, gehen wir von einer Unfruchtbarkeit auch aus. Wenn zwei Frauen so nicht schwanger werden können, ohne medizinisch unterstützte Fortpflanzung. 00:18:10:13 - 00:18:19:17 Catherine Weyer Und wieso hat Sie das überrascht, dass das jetzt, dass das jetzt so anerkannt wird? Ist das progressiv für die Schweiz? 00:18:19:19 - 00:18:29:14 Sandra Hotz Ja, das ist progressiv. Und da gab es auch Gutachten, die dagegen waren, die gesagt haben, das sei nicht möglich ohne Verfassungsänderung. 00:18:29:16 - 00:18:40:22 Catherine Weyer Es gibt es die Ehe für alle, Es gibt aber noch kein Geschlecht für alle. Das Schweizer Gesetz kennt immer noch zwei Geschlechter: Mann und Frau. Werden wir irgendwann auch ein drittes Geschlecht kennen? 00:18:41:00 - 00:19:03:20 Sandra Hotz Ja, bin ich überzeugt, dass wir kommen. Ob es dann divers heisst oder wie es generell heisst ein Fortschritt war ja schon. Und in Deutschland ist man diesen Schritt dann schon relativ früh gegangen, dass wir einfach dieses Kästchen leer lassen dürfen und nicht angeben müssten, ob wir jetzt wir weiblich oder männlich sind. 00:19:03:22 - 00:19:19:21 Catherine Weyer Wie schwierig ist eigentlich die Verzahnung zwischen dem Recht und der Politik in diesen Angelegenheiten? Weil, wenn, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann habe ich das Gefühl, dass da ein sehr konservatives Gedankengut dahinter steckt. 00:19:19:23 - 00:19:51:21 Sandra Hotz Konservativ, konservativ heisst für mich, man riecht sich nach dem, was Bestand hat, was schon immer gegolten hat. Und unsere Gesellschaft ist geprägt. Ich meine, wenn wir haben das Frauenstimmrecht 1971 eingeführt haben, dann waren das Jahrhunderte, Jahrtausende, wo es diese Gleichberechtigung nicht gab. Und das können sie auch mit einem neuen Gesetz nicht von heute auf morgen ändern. In einer ganzen Gesellschaft, aber das Recht hat. 00:19:51:21 - 00:20:06:10 Sandra Hotz In diesen Bereichen hat das Recht, eine beschleunigende Funktion und hilft, dass wir uns schneller ändern können. Aber ja, das dauert gewisse Zeit. 00:20:06:12 - 00:20:14:13 Catherine Weyer Gibt es eine Möglichkeit, dass wir wieder mal so einen revolutionären Moment wie 1971 erleben werden? 00:20:14:15 - 00:20:42:14 Sandra Hotz Ja, wenn die Konstellationen alle gut stehen. Aber das ist dann in der Politik immer so, das sind dann vielleicht auch Zufälligkeiten, die eine Rolle spielen. Beim Frauenstimmrecht war es der internationale Einfluss, der wichtig war, weil die Schweiz eben die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnen wollte. Und da hätte er einen Vorbehalt machen müssen, weil bei uns die Frauen noch keine politischen Rechte hatten. 00:20:42:14 - 00:21:09:04 Sandra Hotz Und das war dann doch etwas peinlich. Bzw. nicht nur peinlich für die Politik, sondern das hat dann auch einen Marsch nach Bern beeinflusst mit 5000 Personen, die auf der Strasse waren. Es gibt dann verschiedene Einflüsse und ich denke, deswegen ist auch ist es auch immer wichtig zu schauen, was machen die Nachbarländer um uns? Wo stehen wir auf internationaler Ebene? 00:21:09:06 - 00:21:40:11 Sandra Hotz Wir haben internationale Verträge ratifiziert. Zu diesen internationalen Verträgen gehört oft auch gehören Berichterstattung, Verfahren. Das heisst, wenn die Schweiz einen solchen Staatsvertrag unterzeichnet, dann unterzeichnet sie auch damit, dass die Schweiz regelmässig alle fünf Jahre begutachtet wird von einem unabhängigen Gremium. Und wenn solche Gremien dann jedes Jahr wieder das Gleiche schreiben oder immer wieder das gleiche schreiben über die Schweiz, das gibt schon politischen Druck. 00:21:40:13 - 00:21:47:05 Sandra Hotz Und wenn dann so verschiedene Konstellationen zusammenkommen, dann kommt es schon wieder muss ein Putsch geben. 00:21:47:07 - 00:21:56:03 Catherine Weyer Wenn Sie sich einen Rutsch wünschen dürften oder auch ein kleines Paket, Was? Was würden Sie gerne als nächstes angehen im Schweizer Recht. 00:21:56:05 - 00:22:30:02 Sandra Hotz Also ich. Ich wünschte mir, dass wir gewisse Prinzipien hätten, über die wir uns einigen könnten. Und ein Prinzip wäre eben diese Nichtdiskriminierung und die Gleichbehandlung aller. Wenn wir dann Einzelschritte machen und das nennen wir uns überlegen, wollen wir den PACS einführen? Wollen wir ein drittes Geschlecht einführen, dass wir immer wie den Blick haben, diskriminiert das nicht wieder jemand anderen? 00:22:30:04 - 00:23:00:23 Sandra Hotz Oder ist das wirklich im Sinne dieser Nichtdiskriminierung? Ich denke, die ganze Entwicklung, die rechtliche Entwicklung hin zu einer Individualisierung und dass die persönliche Identität wäre wichtiger geworden ist. Wir können auch von Individualität sprechen. Der lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Auf diesem Weg sind wir und den sollten wir gehen mit diesem Blick, dass wir niemanden diskriminieren sollten. Und das ist nicht ganz einfach. 00:23:01:01 - 00:23:17:18 Catherine Weyer Das gab es ja glaube ich auch in gewissen Debatten, dass Feministinnen sich gegen die LGBTQIA-Community ausgesprochen haben, weil sie gesagt haben, wir möchten erst einmal Gleichberechtigung und wir möchten nicht, dass der Fokus weggeht von uns auf ein anderes Geschlecht. 00:23:17:19 - 00:23:30:13 Sandra Hotz Eben dieses als dies gegeneinander ausspielen, Das sollte keinen Platz haben, sondern wir müssen einfach schauen, dass es allen gut geht und dass alle zu ihrem Recht kommen. 00:23:30:15 - 00:23:43:06 Catherine Weyer Wir haben jetzt darüber geredet, was für Frauen noch besser werden kann, was für nonbinäre Menschen besser werden kann. Gibt es auch etwas, das für Männer besser werden kann oder sollte? Im Schweizer Recht? 00:23:43:08 - 00:24:30:21 Sandra Hotz Natürlich, Männer sollten so leben dürfen, wie es ihnen entspricht. Sie sollten auch mehr Familienzeit haben dürfen, wenn sie das möchten. Und sie sollten nicht in dieser alleinigen Ernährerrolle und in dieser Verantwortung stecken bleiben müssen. Und das bedeutet, dass wir unser ganzes Arbeitsfeld eben auch auf etwas anders umdenken sollten. Also wenn Sie andere Länder anschauen, nordische Länder. Dass völlig klar, dass wenn der Geburtstag des Kindes ist, dass niemand arbeitet oder am Freitagnachmittag arbeitet auch schon niemand mehr, weil eben diese ganze 00:24:30:23 - 00:24:40:19 Sandra Hotz Familienzeit oder Freundeszeit einen ganz anderen Stellenwert hat als bei uns. Wir sind. Wir sind ein Arbeitsvolk. 00:24:40:21 - 00:24:47:20 Catherine Weyer Damit dann auch die Justitia auch wirklich die Augenbinde auf hat und nicht erkennt, ob da ein Mann oder eine Frau vor ihr steht. 00:24:47:22 - 00:24:53:03 Sandra Hotz Ja, sollte wirklich keine Rolle spielen, wer vor der Justitia steht. 00:24:53:05 - 00:24:54:15 Catherine Weyer Frau Hotz, vielen herzlichen Dank! 00:24:54:17 - 00:24:58:18 Sandra Hotz Ich danke Ihnen. 00:24:58:20 - 00:25:23:09 Catherine Weyer Das war Unisonar, der Wissenspodcast der Universität Basel. Wir freuen uns über euer Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. In der nächsten Folge spricht der Ethnologe George Paul Meiu über das Konstrukt von einer in uns liegenden Sexualität, was das mit dem Kolonialismus zu tun hat und wie die kenianischen Samburu ihre Sexualität zu Geld machen und dafür verfolgt werden. 00:25:23:11 - 00:25:35:11 Catherine Weyer Das Gespräch haben George Paul Meiu und ich auf Englisch geführt. Bis bald.